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23/7/2022
In Anja Molendijks Bildern sammelt sich eine verwunschene Welt aus Figuren, Pflanzen und Insekten, die wundersame Geschichten zu erzählen scheinen. Dazu bedient sich die Künstlerin der Technik der Collage: In einem mehrstufigen Werkprozess werden auf die Holzfläche oder den mit Nesselstoff bespannten Keilrahmen verschiedene Papiere aufgeklebt, wie Zeitungen und einfaches Malerabdeckpapier; manchmal kombiniert die Künstlerin die grundlegend verwendeten Materialien auch mit Blattgold oder Bootslack. Aus diesen Flächen kratzt sie feine Linien mit der Radiernadel heraus und trägt erneut Farbschichten auf, die stellenweise wieder weggewaschen werden, so daß die Farbe in den Linien stehen bleibt und als Motiv sichtbar wird. Auf diese Weise schält die Künstlerin ihre Sujets gleichsam aus dem Grund der Bilder heraus; sie werden oft erst auf den zweiten Blick in ihrer ganzen Formenvielfalt sichtbar.
Anja Molendijk, die nach dem Studium in Erlangen an der University of Georgia Literaturwissenschaft und Kunst studierte, wendet nicht nur formal, sondern auch inhaltlich eine Collagetechnik an. Als Zusammenführung verschiedener sprachlicher und visueller Materialien offenbart sich in den Bildern der große Motivschatz, aus dem die Künstlerin schöpft: Es klingen Märchen, Tanz und Theater der Länder Ostasiens oder des Orients an. An anderen Stellen scheint die Poesie der Zeichnungen Paul Klees durch oder eine fast maschinenhafte Körperauffassung, wie man sie von den Figurendarstellungen Oskar Schlemmers kennt. Diese historischen Vorlagen werden von der Künstlerin zu neuen, geheimnisvoll anmutenden Bildern verwoben, in denen Menschen, Insekten und Pflanzen, weil von gleichem Maßstab, als gleichberechtigte narrativer Einheit auftreten.
Susann Scholl, Kunsthistorikerin Nürnberg
anlässlich der Ausstellung "Hier geblieben! - Kunst für die Stadt" der kunst galerie fürth, 23.7.2022 bis 25.9.2022
4/11/2019
in den falten einer geschichte, Öl auf Papier auf Nessel, 2019, Ankauf 2019
Anja Molendijk hat ihre eigene Technik kultiviert, Papiere überlappend auf Nessel zu kleben, um so in mehreren Arbeitsschritten zeichnen und malen, teilweise abwaschen, letztlich wie bei einem Palimpsest Mal-Schichten überarbeiten zu können (Palimpsest = überschriebenes Pergament, von dem Text abgeschabt und abgewaschen wird, um ursprünglich das kostbare Material zu sparen). Sie bewegt sich also an der Grenze zwischen Malerei und Zeichnung. Neben Braun- und Grautönen verwendet sie Buntfarben nur sparsam und in gebrochenen, gedämpften Tönen. In diesem Bild sind es ein Rot und ein mattes Grün.
In Zyklen beschäftigt sich Molendijk mit Pflanzen, Insekten und dem menschlichen Körper. Bei dem Werk „in den falten einer geschichte“ erkennt der Betrachter einen weiblichen Akt, der einerseits durch Umrisslinien, andererseits wie eine Negativform durch dunkle Randflächen gekennzeichnet ist, die wie verstreute Puzzleteile wirken. Wegen des fehlenden Kopfes und der fehlenden Hände kann man von einem Torso sprechen. Am rechten, mittleren Bildrand gibt es zwei Elemente, die wie Insektenbeine abgeknickt sind und scheinbar eine Fortführung des linken Beins der Figur sind, von dem nur der Oberschenkel definiert ist. Die kräftigen Flächen sind rhythmisch, aber nach einem verborgenen System über das Bild verteilt. Die Gliedmaßen des Torsos, die Details des Aktes sind so zart angedeutet, dass der Blick des Betrachters geduldig Spuren suchen und Teile zusammensetzen muss, vielleicht denkt er dabei an Archäologie und an ein sogenanntes Bodendenkmal. Die teilweise übereinander geklebten und Falten werfenden Papiere tun ein Übriges zu diesem Eindruck: Eine Figur wie eine Geisterbeschwörung oder ein Erinnerungsbild.
Hans-Peter Miksch, Leiter der kunst galerie fürth
Text Infotafel Rathaus Fürth